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Die Schmunzelsteine


Die Legende der Schmunzelsteine




Es war einmal vor langer Zeit, als in einem kleinen Dorf in einem verwunschenen Wald ein Volk kleiner Leute wohnte, das immer fröhlich war. Einer von ihnen war Peer. Er trug immer eine rote Mütze.
Grund für die Fröhlichkeit der kleinen Leute waren die Schmunzelsteine, von denen jeder kleine Waldbewohner stets einen in der Tasche mit sich führte. Egal wie kostbar der Stein war, ob es ein Rubin oder nur ein gewöhnlicher Kiesel, ob er grün war oder rot, oder einfach nur grau, die Männlein schenkten die Steine einander, wenn immer sie sich begegneten. So wußten sie immer, dass der andere ein Freund war, und sie waren fröhlich, wenn der neue Stein sie anschmunzelte. Peer hatte zu der Zeit sehr viele Freunde.



So ging es gut eine lange Zeit. Jeder Mensch im verwunschenen Wald schenkte dem Anderen ein Schmunzelsteinchen und bekam auch immer wieder eines geschenkt. Egal, ob man sich zusammen freute, oder weinte. Stets wechselten die freundlichen Steine ihren Besitzer. Denn es ist so: wenn man sich zusammen freut, dann wird die Freude doppelt so groß. Aber wenn man zusammen weint, dann wird die Trauer nur noch halb so schwer. Auch Fremde oder Gäste wurden sofort beschenkt, auch, wenn der Gast kein Gegengeschenk machen konnte.




Das war auch egal, denn die wunderbaren Steine der Freude gingen niemals aus, weil man ja nur einen kleinen Stein finden und ein Gesicht darauf malen mußte. Schon hatte man sich einen neuen Schmunzelstein gemacht, den man dann wieder verschenken konnte.
Die fröhlichen Waldleute gingen oft Sonntags in den Wald und sammelten zusammen neue Steine, die sie dann während der nächste Woche verschenken konnten.
Peer ging immer mit seiner Freundin Nilse, die im Nebenhaus wohnt und eine ganz ausgezeichnete Steinefinderin war. Peer dagegen malte lieber.




In der Nähe des Dorfes aber lebte seit langem schon ein übler Geselle, der oft die Gäste der Waldbewohner belästigte und ärgerte. Er lauerte ihnen gerne auf und erschreckte sie, oder er warf Steine nach ihnen, auf die er ein böses Gesicht gemalt hatte.
Er war überaus gierig und egoistisch und konnte nicht verstehen, warum die fröhlichen Leute aus dem Dorf immer ihre Steine verschenkten, egal wie wertvoll sie waren. Er freute sich nur, wenn er einen Schmunzelstein stehlen, ein böses Gesicht darauf malen und ihn nach einem Gast oder den Waldleuten selbst schleudern konnte.
Peer mußte dann immer auf die kleine Inge aufpassen.




Eines Tages aber, als der Unhold wieder im Wald unterwegs war, hatte er einen anderen Plan. Er wartete an einer Wegkreuzung, und als wenig später Peer mit der roten Mütze durch den Wald heranspaziert kam und ihm einen Schmunzelstein schenken wollte, da fragte er:
“Warum verschenkst Du Deinen Schmunzelstein? Ist er nicht gut genug für Dich?”
“Doch”, sagte der Waldbewohner Peer verdutzt, “ich habe immer schmunzeln müssen, wenn ich ihn gesehen habe.”
“Und warum schenkst Du ihn dann her? Wenn einer gut ist, wäre es dann nicht besser, wenn Du zwei hättest? Würde es Dich nicht noch mehr freuen, wenn Du sogar alle Schmunzelsteine des ganzen Waldes hättest, die Dich anschmunzeln?”
Mit diesen Worten ließ er Peer stehen und ging fort. Aber nicht weit, denn als er außer Sicht- und Hörweite war, fing er laut an zu lachen. Er hatte es geschafft. Er hatte die Fröhlichkeit gestohlen.




Der Plan des Bösewichts ging tatsächlich auf. Peer vergaß, dass nicht das Besitzen der Steine fröhlich macht, sondern das Verschenken und Geschenktbekommen. Er behielt seinen Stein fortan und wenn er von jemand anderen einen weiteren Stein geschenkt bekam, gab er keinen zurück. Das führte dazu, dass auch die anderen Peer keine Schmunzelsteine mehr verschenkten, weil sie nicht wußten, ob sie von ihm einen zurück bekommen würden.
Das war dumm, denn wenn man keinen Schmunzelstein hat, kann an sich ja ganz schnell selbst einen neuen machen. Aber das wollte nun niemand mehr. Jeder wollte nur noch die Steine der anderen.
So wurden die Schmunzelsteine nicht mehr verschenkt, sondern in Schubladen, Schränken, Kisten und Tresoren verschlossen und konnten niemanden mehr anschmunzeln.
Niemand grüßte mehr seinen Nachbarn, weil er insgeheim wußte, dass er eigentlich einen Schmunzelsstein verschenken mußte. Niemand ging mehr auf Feste oder besuchte seine Freunde. Bald kannte man sich nicht einmal mehr.



Eines Tages aber, als Peer alt geworden war und einen Enkel hatte, erzählte er ihm eine fast vergessene Geschichte. Sie handelte von kleinen und unfassbar wertvollen schmunzelnden Steinen. Und davon, dass man sie hergeben konnte, ohne sie zu verlieren. 
Der Enkel, der übrigens auch Peer hieß und eine rote Mütze trug, vergaß nie die Geschichte, die er von seinem Großvater erzählt bekommen hatte. Eines Sonntages ging er an einem Fluß spazieren und fand einen kleinen Stein. Er nahm ihn mit nach Hause und malte ein kleines lachendes Gesicht darauf. Er mußte schmunzeln, weil es so einfach gewesen war.
Am nächsten Tag verschenkte er ein paar dieser Steine an seine besten Freunde. Diese schmunzelten ebenfalls und machten zuerst Witze über ihn. Aber sie mochten die Idee und mußten immer wieder schmunzeln, auch wenn sie die Steinchen nur in ihren Taschen berührten. Sie fingen auch an, Schmunzelsteine zu verschenken. Und so wurden es wieder mehr und mehr.

Du kennst diese Leute schon: Einer dieser Leute ist Dein Freund, der Dir Deinen Schmunzelstein geschenkt hat. Und einer dieser Leute bist Du, wenn Du Deinen Stein weiter verschenkst.



(Frei erzählt von Patrick Hahnrath, gemalt von Nina Elsner)

In der Ferne 1, Weltweit