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Kapitel 1


Kapitel 1: Die Lost Dutchman Mine


Ich erinnere mich noch ganz genau an Alex‘ völlig abschätzigen Blick, als ich ihm von meinem Plan erzählte, in Arizona eine verlorene Goldmine zu suchen.
„Was willst Du? Einen Schatz suchen?“
„Ja, kommst Du mit?“
Wir saßen gerade im Bus zur Uni nach Bochum, wo wir beide zu dieser Zeit unser Grundstudium in Geographie absolvierten. Es war wieder einmal Stau auf der A 43, und wir kamen zu spät zur Statistikvorlesung. Draußen wußte das Wetter nicht so ganz, ob es regnen oder schneien sollte. Nur in Sachen Farbe hatte sich der Tag entschieden. Seine Wahl war auf mausgrau gefallen. Hatte ich vielleicht den falschen Zeitpunkt gewählt, um Alex von der Goldmine zu erzählen?
Für mich war es nie eine Frage gewesen, ob ich bei dem Wort Goldsuche völlig aus dem Häuschen gerate oder nicht. Meistens tat ich es. Aber bei einem intelligenten Mann wie Alex, der alles immer, oder sagen wir fast immer, mit der nötigen Skepsis sieht, mußte man schon etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen. Vor allem in solch einem Moment.
„Uuuund, wissen wir denn schon, wo wir suchen müssen?“, fragte er langgezogen.
„Klar, guck mal hier!“ Ich überging die Ironie in seiner Stimme und präsentierte ihm stolz einen Stapel Schatzkarten, die ich aus dem Internet gezogen hatte. Aber Alex wischte nur  gedankenverloren mit der Hand über die beschlagene Fensterscheibe.
„Na, toll, und welche ist die Echte?“, fragte er eher gelangweilt und sah auf die Uhr.
Nun ja, genau das war mein Problem. Ich hatte zwar Berge von Material zusammengesucht und zum Teil höllisch wichtige Vorlesungen an der Uni verpasst, aber leider konnte ich ihm die einzig echte Karte nicht zeigen. Jakob Walzer, der Mann, der die Legende um die berühmte Lost Dutchman’s Mine in den Superstition Mountains von Arizona begründete, soll zwar oft verheißungsvolle Andeutungen über seine Mine gemacht haben, hat aber weder eine halbwegs brauchbare Karte gezeichnet, noch jemals jemanden zu seiner Mine geführt. Es gab und gibt zwar unzählige Karten von der berühmt-berüchtigten Mine in den Bergen des Aberglaubens, aber bis heute war keine von ihnen mehr wert gewesen, als das Papier auf die man sie gekritzelt hatte. Manche waren noch nicht einmal das. Das Wenige, das man heute über Oldtimer Dutchman‘s verlorene Mine weiß, hat man zusammengetragen aus dem, was er im Suff und auf dem Sterbebett gesagt hat. Und da hat er wahrscheinlich gelogen. Schlechte Karten für mich. Trotzdem wollte ich es versuchen.
Da es nicht so aussah, als ob wir in der nächsten halben Stunde auch nur einen Meter weiter Richtung Uni fahren würden, fing ich an, Alex eine der vielen Legenden über den deutschen Dutchman zu erzählen.
Der Spitzname Dutchman übrigens, der richtig übersetzt Holländer bedeutet, geht auf einen Übersetzungsfehler zurück. Daß Walzer trotz des Namens Dutchman Deutscher war, ist eine der ganz wenigen Gewissheiten seiner Legende.
Es gab und gibt unzählige Versionen über das Leben des Jakob Walzer und den Untergang seiner Mine, und niemand weiß mehr, welche wirklich die richtige ist. Vielleicht gibt es auch gar keine richtige. Ich erzählte ihm einfach die Geschichte, die ich für die aufregendste hielt. Die, aus der manche Leute Filme machen. Der halbe Bus hörte zu.
Es ist die Geschichte von Richard Holmes, der sie am Sterbebett des Dutchmans von ihm erzählt bekommen haben will. Sein Sohn Brownie Holmes hat sie später aufgeschrieben und veröffentlicht. Sie heißt ziemlich umständlich:
„Die wahre Geschichte der Lost Dutchman Mine in den Superstitions, wie sie meinem Vater, Richard Holmes von Jakob Walzer auf dessen Sterbebett erzählt worden ist.“
Und sie ist, wie gesagt, auch nur eine der möglichen oder unmöglichen Versionen, wenn auch eine der Spannendsten. Ich sage das hier nur, weil man das bei dem rasend einfallsreichen Titel wahrscheinlich nicht annehmen würde. (Sollten Sie sich nicht für diese Geschichte interessieren, dann lesen Sie doch Rosamunde Pilcher!)

‚Draußen wölbte sich ein bleierner Himmel über die Stadt, und die Sonne schaffte es kaum, durch die Wolken zu scheinen. Im Zimmer war es düster. Er war nur etwa drei mal vier Meter groß und nur durch ein großes klappriges Bett und einen abgenutzten Schrank möbliert. Im Bett lag ein alter Mann mit grauen Haaren und weißem Bart. Ein paar Kissen waren in seinem Rücken zusammengedrückt, so daß er einigermaßen gerade sitzen konnte. Der Raum stank nach verbrauchter Luft. Der alte Mann war sehr krank. Er war schon lange nicht mehr an der frischen Luft gewesen, und seine Haut war blass. Er erzählte Richard Holmes mit schwacher Stimme seine Geschichte.
„Dick (für alle, die es nicht wissen, Dick ist die Abkürzung von Richard), ich weiß, daß Du die Mine immer finden wolltest..., ich weiß, daß Du mir einmal gefolgt bist, und ich hätte Dich erschießen können. Aber ich bin froh, es nicht getan zu haben, denn ich mag Dich... und ich glaube, daß niemand anders als Du die Mine finden kann. Hör mir zu:

Vor ein paar Jahren arbeitete ich in der Vulture Mine bei Wickenburg. Ich hatte ein wenig Geld gespart und wollte eine Tour nach Picket Post (Picket Post lag in der Nähe vom heutigen Superior) unternehmen. Aber als ich dort angekommen war, traf ich ein paar unliebsame Bekannte. Ich wollte nicht lange bleiben und machte mich auf den Rückweg über Fort McDowell auf dem Military Trail. Dieser Trail wurde, wie Du vielleicht weißt, von den Soldaten von Fort McDowell benutzt. Das war im Jahr 1877. Ich hatte drei Maultiere bei mir und eine ziemlich gute Campingausrüstung, die ich mir erst einige Monate zuvor gekauft hatte.
Die erste Nacht draußen machte ich etwa fünfzehn Meilen von Picket Post entfernt Camp. Am nächsten Morgen, noch in der Dämmerung, ich wollte gerade mein Feuer anzünden um mir etwas Kaffee zu kochen, da sah ich drei Apachen auf mein Camp zulaufen. Ich wußte, daß diese roten Teufel hinter mir her waren, und ich flüchtete. Eine ganze Zeit lang haben wir uns gegenseitig belauert und beobachtet, aber ich wußte, daß sie mich früher oder später zu fassen bekommen würden, wenn ich in der Nähe meiner Ausrüstung blieb. Also schlich ich mich heimlich aus dem Canyon und ließ meine Ausrüstung und die Mulis zurück. Die Rothäute haben mich noch stundenlang weiter gesucht und sind dann mit meiner Ausrüstung und den Mulis verschwunden. Das war sowieso alles, worauf sie scharf waren. (Bei den Indianern war Maultierfleisch besonders beliebt.)
Tja, da stand ich nun, mit leeren Händen, ohne Wasser und Essen. Ich kannte zwar die ungefähre Richtung zum Fort, aber es war ein weiter Weg. Noch dazu kam, daß ich mich vor den Indianern in Acht nehmen mußte, weil das ganze Land hier voll von denen war, und sie nicht gerade freundlich gestimmt waren.
Am ersten Tag kam ich nicht besonders weit, weil das Gelände ziemlich rau war und ich einige Umwege laufen mußte. Gegen Abend fand ich eine kleine Höhle, in der ich schlafen konnte. Sie war voll mit Fledermäusen und ab und zu hörte ich das Rasseln einer Klapperschlange, aber das war mir immer noch lieber, als draußen bei den Apachen zu schlafen.
Früh am nächsten Tag machte ich mich wieder auf den Weg. Ich hatte seit dem Überfall der Apachen nichts mehr gegessen und meine Füße wurden langsam wund. Ich hatte gerade einen ausgetrockneten Flusslauf durchquert, als ich am anderen Ufer menschliche Fußspuren sah. Da sie relativ frisch aussahen und in Richtung Fort McDowell verliefen, folgte ich ihnen einfach.“
Der alte Mann brach plötzlich ab und hustete mit schmerzverzerrtem Gesicht, als ob sich etwas in seine Lunge bohren würde. Nach einer kleinen Pause fuhr er fort.
„Ich bin den Spuren etwa eine halbe Meile gefolgt, bis ich in ein Camp kam. Anhand der Größe des Camps konnte ich erkennen, daß mehr als ein Mann hier sein mußte. Aber ich konnte keine Seele sehen. Aber Essen und Wasser war da, und ich bediente mich. Wasser nahm ich nicht soviel, aber ich schlug mir, nachdem ich sicher war, daß es das Essen eines weißen Mannes war, richtig den Bauch voll.
Gegen Abend erwachte ich. Ich war mitten im Camp eingeschlafen! Ich hörte Stimmen, sprang auf und griff nach meinem Gewehr. Kurz darauf kamen drei Mexikaner ins Camp spaziert. Sie sahen freundlich aus, aber sie waren doch sehr überrascht, mich hier zu finden. Einer von ihnen sprach ziemlich gutes Englisch und fragte mich, was ich hier treiben würde. Ich erzählte ihnen die Geschichte mit den Indianern. Sie lachten und sagten, daß ich solange bei ihnen bleiben könnte, bis sie nach Fort McDowell zurückkehren würden, was in ein paar Tagen sein sollte. Sie boten mir an, bei ihnen zu bleiben, bis sie hier alles geregelt hätten, oder ich könnte von ihnen Ausrüstung bekommen und schon mal vorlaufen. Ich hatte mich gerade dazu entschlossen, Ausrüstung und Essen zu nehmen und zu verschwinden, als einer von den Dreien anfing einen Sack von einem der Mulis zu laden. Dabei fiel mein Blick auf das Erz! Der Sack war bis zum Rand voller Erz! Es schien, als seien alle Säcke auf den Mulis mit dem gleichen gefüllt. Ich fragte die Drei, ob ich mir das Erz mal ansehen dürfe, und Sie hatten nichts dagegen. Sie waren einfache Mexikaner und nicht im geringsten misstrauisch. Ich fragte sie nach der Fundstelle und sie sagten, ich könne gerne am nächsten Morgen mit ihnen zu ihrer Mine gehen. Ich war immer noch hundemüde, als ich unter meine Decke kroch, aber ich konnte nicht schlafen. Die ganze Zeit dachte ich nur an das Gold.
Am nächsten Morgen führten sie mich zu einer Stelle, die etwa eine Viertelmeile vom Camp den Canyon hinauf entfernt war. Sie zeigten mir den Schacht und sagten, daß das hier die Mine sei, aber ich mußte einfach sehen, wie es in der Mine aussah. Die drei hatten nichts dagegen, mich in die Mine steigen zu lassen. Das Loch war etwa vier Fuß breit und zwölf Fuß tief. Ich stieg die Leiter bis zum Boden hinab und dann...“ Der alte Mann machte eine Pause. Es war, als ob er die ganze Szene noch einmal erleben würde. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder genug Kraft zum Sprechen hatte. Seine knochigen Hände zitterten, als er fortfuhr.
„Gold, Dick! Überall Gold! Eine Goldader mit Klumpen so groß wie Erbsen! Mehrere Pfund Erz lagen wahllos auf dem Boden herum. Dick... Dick, die Ader, die Ader war so breit!“ Der Alte streckte seine Arme aus, um die Dicke der Ader zu zeigen. Seine milchigblauen Augen hatten einen seltsam entrückten Blick.
„So breit, Dick, siehst Du? So breit!“ Und seine Hände waren etwa zwei Fuß breit auseinander!
„Die Mexikaner machten sich wieder an die Arbeit, das Gold abzubauen und erzählten dabei freizügig. Sie sagten, daß sie die Mine erst seit ein paar Monaten ausbeuten würden. Früher gehörte die Mine mal einem gewissen Pedro Peralta, einem spanischen Adligen. Der hatte Spanien vor vielen Jahren verlassen und sich in der Nähe von Mexiko City niedergelassen. Peralta hatte aber nur drei Expeditionen zur Mine durchgeführt. Seine Expeditionen bestanden aus Peon-Indianern als Arbeiter, Soldaten als Eskorte, deren Frauen und Kindern und einer Menge Tiere inklusive Vieh wie Kühen und Schafen.“
Dick Holmes, der bis jetzt ruhig zugehört hatte, unterbrach jetzt den Greis, damit er sich wieder ein wenig erholen konnte. Er merkte, daß der Alte schnell an Kraft verlor und sein Tod unmittelbar bevor stand. Deshalb interessierte es ihn weniger, was dieser Peralta machte, als vielmehr die Mine. Er wollte endlich das Geheimnis der Mine erfahren, bevor es zu spät war, und der alte Mann es für immer mit in sein Grab nehmen würde. Aber der Alte beachtete seinen Protest überhaupt nicht.
„Auf diesen Expeditionen war jede Vorsicht vor den Apachen geboten. Die Ausrüstung und die Tiere waren kostbar und genau das, was die Apachen haben wollten. Um das Vieh zu beschützen ritten immer mehrere bewaffnete Männer mit der Herde und bewachten sie auch nachts, wenn man sie in schnell errichtete Gatter sperrte. Im Jahre 1858, nach einem sehr erfolgreichen Winter in der Mine brach die Peralta-Expedition ihr Lager ab, um sich auf den langen Weg zurück nach Mexiko zu machen. Im Morgengrauen wurden sie von den Apachen angegriffen. Die Apachen waren zwar bei weitem nicht so gut ausgerüstet wie die Mexikaner, aber sie waren zahlenmäßig so überlegen, und die Peralta Expedition durch Ladung, Vieh, Frauen und Kinder so schwerfällig, daß die Apachen bald die Oberhand gewannen. Peralta wollte einen Durchbruch ins offene Gelände wagen, wo er die Expedition hätte besser verteidigen können, aber die Apachen hatten es schon vorausgesehen und waren vorbereitet. An einer für sie günstigen Stelle kesselten sie die Expedition ein und töteten alle bis auf einen zwölf Jahre alten Jungen, der es schaffte, im Kampfgetümmel zu entkommen. Irgendwie gelang es dem kleinen Kerl, sich bis zu einer mexikanischen Siedlung am Gila River durchzuschlagen und sich dort versorgen zu lassen. Die Dorfbewohner schickten ihn dann sicher nach Hause. Der Junge vergaß niemals die reiche Mine in den Bergen, und im Jahre 1877 kam er zurück, um sie wieder in Betrieb zu nehmen.
Der so gut englisch sprechende Mexikaner identifizierte sich als dieser Junge und stellte die beiden anderen als seine Cousins vor. Sie erklärten mir, daß die alten Spanier Steine in die Gabelungen von Bäumen und Ästen steckten, um Wege aus der Wüste zu den Minen zu kennzeichnen. Ein paar der Steine sollen schon so eingewachsen sein, daß man sie nur noch mit einer Axt herausschlagen könne.
Sie sprachen mit mir, als ob ich schon seit Jahren einer von ihnen wäre. Ihre grenzenlose Offenheit und Großzügigkeit, mit der sie mich behandelten berührten mich jedoch nicht im geringsten. Sie dachten, ich wäre ihr Freund, aber ich konnte nur an das Gold denken. Ich war gierig nach dem Gold! Es sollte alles mir gehören, alles! Um jeden Preis!
Ein paar Tage später sah ich meine Chance...zwei von ihnen standen mit dem Rücken zu mir, um der dritte war noch bei der Mine... da habe ich mein Gewehr genommen und sie einfach erschossen. Dick, ich habe ihnen einfach in den Rücken geschossen! Dann habe ich die Leichen weggezogen und sie im Gebüsch versteckt und auf den Dritten gewartet. Es dauerte auch nicht lange, da kam er, durch die Schüsse alarmiert, auf seinem Pferd galoppiert. Ich wartete, bis er ganz nah an mich heran gekommen war und schoss ihm in den Kopf.“
Der Alte wurde jetzt sichtlich nervös, und unsicher huschten seine Augen über das Gesicht des Mannes an seinem Bett, und versuchten in seinen Augen Halt zu finden.
„Ich verscharrte ihre Körper in der Nähe des Lagers, nahm ihre Ausrüstung und Tiere und machte mich auf den Weg nach Fort McDowell. Dort blieb ich für zwei Tage, bevor ich weiter nach Phoenix zog. Etwas später machte ich noch ein paar weitere Trips zur Mine, und in wenigen Wochen Arbeit holte ich mehrere tausend Dollar in Gold heraus. Bevor ich meinen nächsten Besuch bei der Mine machen wollte, schrieb ich meiner Schwester in Deutschland von dem Gold und sagte ihr, sie solle ihren Sohn schicken, damit er mir helfen könne. Außerdem schickte ich ihr mehrere tausend Dollar in Gold und sagte ihr, daß da, wo das herkäme noch viel mehr sei. Schon bald darauf kam mein Neffe, Jakob Wisner in Phoenix an (In anderen Stories heißt er manchmal auch Jakob Weizer, genauso, wie man sich auch über den Namen Walzer streitet. Mal heißt er Waltz, mal Wolzer, und mal eben Walzer.). Ich nahm ihn mit zur Mine. Er war noch nicht lange hier, da bestand er darauf, für die Mine einen Claim zu beanspruchen und sie auf einmal auszubeuten, als jedes Jahr ein paar geheime Touren zur Mine zu unternehmen. Weder ich noch er waren Bürger der USA, noch hatte ich Wünsche, dies zu werden... also konnte ich die Mine nicht auf meinen Besitz überschreiben lassen. So wollte es das Gesetz. Außerdem hatte ich Angst, daß noch irgendein anderer Mexikaner von der Mine wußte, und mich vielleicht als Mörder anklagen würde, wenn er herausbekam, daß ich die Mine kannte.
Ich wußte von Anfang an, daß es zwischen mir und meinem Neffen zu Streit kommen würde, denn er war einer von denen, die anderen gerne vorschreiben, was sie zu tun haben. Es wurde so schlimm, daß wir die ganze Zeit nur noch stritten... zwei oder drei mal dachte ich sogar, er würde mich verprügeln wollen. Ich begann, ihn zu hassen, wie man nur seinen ärgsten Feind hasst. An einem Abend, wir hatten die Mine gerade wieder verlassen, um in Richtung Fort McDowell zu reiten und machten Camp bei Agua Escondido, da hatten wir wieder einen fürchterlichen Streit, den schlimmsten bis dahin. Am nächsten Morgen, nachdem wir aufgestanden waren, sagte er, er wolle die Mine für sich selbst beanspruchen und auf seinen Namen eintragen lassen, ob ich wollte, oder nicht.“ Der alte Mann sah Holmes lange an. Tränen sammelten sich in seinen Augen und liefen über seine faltige Haut hinab. „Ich habe ihm genau zwischen die Augen geschossen... ich habe eine Kette genommen, sie um seinen Hals gewickelt und ihn in den Schutz eines großen Felsens gezogen. Da, wo die Erde weich genug war, da habe ich ein Grab geschaufelt und ihn begraben.“  Er weinte still, und es war offensichtlich, daß der Mord an seinem Neffen weit mehr auf seinem Gewissen gelastet hatte, als es die anderen Morde getan hatten.
„Ich ging zurück nach Phoenix und erzählte jedem, daß mein Neffe wieder zurück nach Deutschland gefahren sei. Ich sorgte gut für meine Schwester. Ich schätze, ich schickte ihr gute zweihunderttausend Dollar in Gold. Dick, wenn Du die Mine findest, dann musst Du mir versprechen, daß Du meiner Schwester noch einen guten Anteil überläßt! Wirst Du das tun?“ Holmes nickte stumm. Er wartete einige Minuten, um dem alten Mann Gelegenheit zu geben, sich zu sammeln. Als er wieder anfing zu sprechen, wurde aber schnell klar, daß Walzer, bevor er den Weg zur Mine verraten würde, noch ein paar weitere Morde beichten wollte, um sein Gewissen zu erleichtern.
„Die Zeit verging schnell. Ich war seit ein paar Monaten schon nicht mehr bei der Mine gewesen und wollte beim nächsten mal ein wenig Holz mitnehmen, um verschiedene Sachen zu bauen, wie Stützen und eine Goldwaschvorrichtung. Irgendwann kam ich aber mit dem ganzen Zeug nicht mehr durchs Gebüsch und mußte einen Teil zurücklassen. Als ich bei der Mine ankam, sah ich, daß jemand anderes da gewesen sein mußte. Das Gold hatte etwas in mir angerichtet. Irgendwie kam ich mir wie der Besitzer der Mine vor, wie der Herr über die Superstitions. All diese Berge waren mein. Es machte mich krank, jemanden auch nur in die Richtung meiner Berge gehen zu sehen. Also machte ich einen Plan. Ich wollte mich für zwei Tage verstecken und auf den Dieb warten.
Tatsächlich kamen am zweiten Tag zwei Soldaten aus Fort McDowell und arbeiteten für ein paar Stunden in der Mine. Dann sattelten sie wieder ihre Pferde und wollten davon reiten. Ich folgte den beiden und erschoss sie. Dann nahm ich ihr Gold und ihre Pferde und ließ das Ganze wie einen Indianerüberfall aussehen (d.h. er verstümmelte die Leichen nach Apachenart. Die Apachen glauben nämlich, daß die Geister der Verstümmelten auch in ihrem Nachleben auf dieselbe Art entstellt blieben.). Ich ritt zur Mine, nahm mir noch etwas mehr Erz und ritt zurück nach Phoenix.
Als ich im nächsten Winter wieder zur Mine kam, sah ich sie aufs neue gestört. Ich wußte, ich mußte etwas unternehmen, wenn ich wollte, daß die Mine weiterhin mir gehörte. Also begann ich, die Mine zu verstecken, damit niemand mehr sie finden konnte. Ich arbeitete den ganzen Winter, Bäume zu sägen, sie zur Mine zu ziehen, und sie in den Minenschacht abzusenken, so daß ich über ihnen Steine und Erde so legen konnte, daß man sogar darüber laufen konnte, ohne die Mine zu entdecken. Niemand wird sie je wieder finden, wenn er nicht zuerst die kleine Steinhütte unten im Gestrüpp des Canyons findet. Aber wenn Du dorthin gehst und meinen einfachen Anweisungen folgst, dann ist es ganz einfach, sie zu finden. Das Versteck ist gut geschützt durch Sträucher und Bäume, und es ist fast unmöglich es zu sehen, wenn Du nicht genau weißt, wo Du suchen sollst.
Nun, ich habe ein paar von meinen Sachen im Versteck gelassen und wollte also nach Phoenix zurück reiten, als ich etwa drei Meilen vom alten Steinhaus einen Prospektor mit zwei Eseln und Campingausrüstung traf.“ Der Alte schloss die Augen und zitterte leicht.
„Ich habe ihn erschossen ohne ihm die Möglichkeit zu geben, zu erklären, wohin er reiten würde, oder was er hier in den Bergen tun wolle. Dann habe ich seine Ausrüstung angezündet und seine Esel verjagt.
Der Tod des Prospektors macht zusammen mit den anderen sechs Männern, die ich getötet habe sieben Tote. Sieben Menschenleben für das verdammte Gold! Und nun sieh mich an...“ Walzer schluchzte und vergrub sein Gesicht in fleckigen, von dunklen Adern durchzogenen Händen.
„Meine letzten Touren zur Mine führten über den alten Government Trail und an der Monroy Ranch vorbei über den Salt River in die Superstitions“, fuhr er fort. „Ich hatte gerade für zwei Wochen in der  Mine gearbeitet, als der Regen einsetzte. Es war erbärmlich kalt, und das Wetter schien mir mehr zuzusetzen, als es das bis dahin getan hatte. Ich fühlte mich schrecklich alt und krank. Ich kam nicht drum herum, einzusehen, daß dies mein letzter Trip zur Mine gewesen war. Ich vergrub das meiste des Goldes, das ich abgebaut hatte und nahm den Rest mit mir. Es ist nicht mehr viel davon übrig, aber wenn ich tot bin, dann sollst Du es auch haben. Es ist in einer Box unter meinem Bett. Nimm es, es wird Dich für eine Weile zu einem reichen Mann machen.
Und jetzt, Dick, muß ich Dir sagen, wie Du die Mine finden kannst...“
Der alte Greis versuchte noch einmal, in einer kleinen Pause Kraft für seine Rede zu sammeln. Er atmete schwer, und man sah, daß er nur noch sehr wenig Zeit zu leben hatte.
„Du musst von First Water nach Second Water gehen. Dann läufst Du den alten Government Trail Richtung San Carlos. Da, wo der Pfad nach Süden abdreht, wirst Du auf einen Grat schauend eine Steinsäule erkennen, die wie ein stehender Mann aussieht. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, habe ich gedacht, es wäre ein echter Mensch. Eines Tages bin ich zu ihm hingeritten und habe ihm Augen, Mund und Nase eingeritzt. Dann habe ich zu ihm gesagt: Du siehst aus wie ein Mensch, also mache ich Dich zu einem Menschen. An dieser Stelle verlasse ich immer den Pfad und halte mich links des Pfades. Folge einfach dem langen Grad, bis Du zu einem Sattel kommst. Du musst den Sattel überqueren und den tieferen Grat dahinter bis zu einer Stelle gehen, an der Du die Four Peaks im Norden in einer Reihe hintereinander stehen siehst. In der anderen Richtung wirst Du eine hohe Gebirgsnadel sehen können.
Im Canyon unter Dir ist schon mein Versteckt. Aber Du kannst an dieser Stelle nicht hinunter, weil das Gelände viel zu steil ist. Du musst bis zum Eingang des Canyons gehen und dann zurück. Du wirst das Steinhaus ohne Probleme finden können. Aber Du wirst es erst sehen können, wenn Du direkt davor stehst.“ Dann griff der alte Mann unter sein Hemd und holte eine schnell hingekritzelte Skizze heraus. Sie zeigte ein paar durch krakelige Linien angedeutete Berge, den Salt River, Weaver‘s Needle, ein paar Bäume und einen Pferdekopf.

Die Dutchman Karte, wie sie leibt und lebt:



„Du wirst die Mine nie finden, wenn Du über drei rote Hügel kommst. Du musst zuerst das Haus finden, Dick, sonst findest Du die Mine niemals. In der Mine liegen noch für gute 75 000 Dollar schon abgebautes Erz herum. Sei vorsichtig, wenn Du den Eingang öffnest, denn ich habe eine tödliche Falle eingebaut.“ An dieser Stelle unterbrach ihn Holmes.
„Walzer,... haben Sie schon alles Gold aus der Mine abgebaut, oder ist dort noch mehr?“
Walzer lächelte gequält.
„Dick, da unten ist genug Gold, um zwanzig Männer zu Millionären zu machen!“ Er hielt seine Hände wieder zwei Fuß auseinander und sagte: „Dick, die Ader ist so breit, und sie verläuft parallel zum Hang etwa vierhundert Fuß bis zu einem Bachlauf, wo sie austritt. Ich habe die Stelle abgegraben und zugeschüttet, so daß man nichts mehr sehen kann, aber es ist genug Gold da. Beim Himmel, Dick, Du wirst reich sein.“
Er lehnte sich wieder zurück und entspannte sich. Es sah aus, als ob er eingeschlafen wäre, aber plötzlich öffnete er wieder seine Augen und zog Holmes am Hemd ganz dicht zu sich heran. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
„Dick, halte Dich an meine Anweisungen, und Du wirst sie finden. Aber vergiss nicht, meiner Schwester einen Teil zu schicken. Vergiss es nicht! Finde zuerst das Steinhaus und dann die Mine... vergiss nicht die Kiste unter meinem Bett... die verfluchte Mine...“
Der alte Mann im Bett holte noch einmal tief Luft, und es sah aus, als ob er noch etwas Wichtiges sagen wollte, aber die Kräfte verließen ihn. Die Luft entwich langsam seinen kranken Lungen und sein Blick wurde leer. Jakob Walzer, selbsternannter Besitzer der Peralta Mine, Herr über die Superstitions, Mörder von mindestens sieben Menschen und Begründer der Lost Dutchman Mine Legende war tot.
Er starb am 25. Oktober 1891 um sechs Uhr abends in einem kleinen Zimmer einer Pension in Phoenix. Er wurde 84 Jahre alt.
Richard Holmes schloss ihm die Augen und sprach ein kurzes Gebet für ihn. Dann griff er unter das Bett, auf dem die Leiche Walzers lag und zog ein kleines Kistchen hervor. Es war nicht sehr groß, etwa ein mal ein Fuß breit, aber es war sehr schwer. Als er es öffnete, sah er, daß es voll hochwertigem Golderz war.‘
Das war die Geschichte des Brownie Holmes, wie sie seinem Vater, Richard Holmes von Dutchman Walzer persönlich erzählt worden sein sollte.

Aber wie gesagt, gibt es noch viele andere. Eine andere Legende erzählt davon, daß Walzer eine Indianerin geheiratet haben soll, die ihm die Mine zeigte. Demnach sollen die Indianer schon vor Peralta die Mine ausgebeutet haben und das Gold für Schmuck verwendet haben. Dafür spricht auch, daß man in einem Hochtal in den Superstitions, einem Ort namens Garden Valley einen Indianerfriedhof mit goldenen Grabbeigaben gefunden hat. Mit sehr hochwertigem Gold, das aus der Mine stammen könnte. Manche Leute behaupten sogar, daß der Name der Mine gar nicht Peralta Mine oder Lost Dutchman ist, sondern Apache Mine. Eine Nebensächlichkeit, wie mir scheint, solange in allen Legenden nur genügend Gold vorkommt.
Die indianische Frau Walzers jedenfalls soll später einem Rachefeldzug des Stammes der Apachen zum Opfer gefallen sein, der den Verrat sühnen wollte. Auch hier teilen sich wieder die Meinungen. Es gibt welche, die behaupten, die Indianer hätten Walzers Squaw zu Tode gefoltert, andere sagen, sie hätten ihr nur die Zunge herausgeschnitten. Wie dem auch sei, auf alle Fälle soll Walzer wie durch ein Wunder in beiden Versionen unversehrt überlebt haben.
Kurz nach dem Tode Walzers behauptete übrigens auch die Zimmerwirtin des Hauses, in dem Walzer zu letzt in ärmlichen Verhältnissen gelebt hatte, die einzig echte Karte des deutschen Minenräubers zu besitzen. Er sollte sie ihr kurz vor seinem Tod auf den Sterbebett gegeben haben. Es ist, man mag es glauben oder nicht, fast genau dieselbe Karte, wie sie Richard Holmes bekommen hatte. Leicht wäre der naive und gutgläubige Argonaut nun geneigt zu sagen: „Hey, dann ist ja alles klar. Es können nicht zwei verschiedene Leute eine Karte fälschen, die im Endeffekt gleich ist. Sie muß von einer Person stammen. Also von Meister Walzer!“
Andererseits könnte der weltverachtende, unromantische und realistische Misanthrop behaupten: „Die stecken doch alle unter einer Decke!“
Auf jeden Fall verlief die Suche nach der fabulösen Mine weder bei Mr. Holmes noch bei besagter Zimmerwirtin Mrs. Thomas erfolgreich, und beide zogen sich (scheinbar) enttäuscht aus dem Goldsuchergeschäft zurück. Nicht ohne Gewinn versteht sich, denn während Richard Holmes Sohn Brownie ein Buch über die Mine veröffentlichte, verkaufte Mrs. Thomas Kopien der Karte für sieben Dollar das Stück an alle, die sich dafür interessierten. Und das taten viele. (Wie ein Wunder waren fast alle Interessenten naive und gutgläubige Argonauten. Und der Rest war wegen der Gaudi gekommen.)
Damit traten die beiden einen wahren Sturm von Abenteurern und Schatzsuchern auf die Superstition Mountains los. Überall tauchten plötzlich Karten und Pläne auf, die den einzig wahren Weg zur Mine zeigen sollten, und wurden zu Höchstpreisen verkauft. Man befragte Zeitzeugen und solche, die sich dafür hielten. Alles wurde gesichert und analysiert. Die meisten dieser Zeitzeugen aber waren ausgemachte und stadtbekannte Trinker, da Walzer gerade in Bierlaune oft über seine Mine zu faseln begonnen hatte. Zum Entzücken der Schatzsucher gehörten ziemlich viele Indianer dazu, von denen man auch noch Insidertipps erwarten konnte. Für ein paar Bier logen sie das Blaue vom Himmel.
Einmal soll Walzer von seiner Mine behauptet haben, er könne den Sonnenuntergang durch einen Spalt in den Bergen auf seinem Erz nur so funkeln sehen. Demnach muß der Eingang nach Westen zeigen. Ein anderes mal behauptete er, er müsse ein Tuch in den Eingang hängen, damit der kalte Nordwind nicht so stören würde, wonach der Eingang nach Norden zeigen mußte.
Er erzählte, er könne von der Mine aus den Berg Weaver’s Needle sehen. Ein anderes mal war die Mine von dort aus jedoch nicht zu sehen.

Die ruinöse Julia Thomas Karte:



Hunderte von Goldlüsternden stürzten sich aufgrund dieser Halbwahrheiten und ungestützten Theorien in eine wilde Jagd nach dem schnellen Glück. Jeder kleinste Anhaltspunkt wurde zum Anlaß genommen, wieder eine Expedition auszurüsten. Es kam zu seltsamen Todesfällen, wenn jemand gar zu laut mit seiner Karte geprahlt hatte, wie im Falle des Adolph Ruth. Den fand man nämlich, wie eine ganze Reihe weiterer Unglücklicher mit einer Kugel Kaliber 44 oder 45 aus einem altmodischen Armeerevolver im Kopf in einem Canyon. Der natürliche Tod für einen Schatzjäger mit zu loser Zunge.
Leider habe ich keine aktuellen Zahlen, aber bis 1971 sollte die Zahl derer, die sich nach dem verlorenen Gold der Peralta Mine auf die Suche gemacht haben und ihr Leben verloren auf 58 gestiegen sein.
Es waren seitdem mehr als 25 Jahre vergangen, und niemand hatte die Mine finden können. Es war wie verhext. Tausende hatten schon nach ihr gesucht, bis die Regierung das Land 1964 unter Naturschutz stellte und dem potentiellen Finder nur noch erlaubte, soviel Gold mitzunehmen, wie er in zwei Händen tragen könne. Obwohl an Reichtum nun nicht mehr zu denken war, ging die Legende keineswegs unter, nein, sie wurde sogar in die örtliche Tourismuskampagne eingegliedert und sorgte im Laufe der Zeit für einen einträglichen Besucherstrom.
Niemand wird die Mine wohl je wiederfinden, vielleicht ist sie bei einem Erdbeben verschüttet worden oder einfach so zusammengebrochen, vielleicht haben tatsächlich Indianer die Mine wieder versiegelt, niemand weiß es. Vielleicht ist sie auch nur die Lüge eines alten Banditen, der so gestohlenes Gold von anderen Gangstern waschen wollte.
Aber die Legende wuchs und wuchs. Sie ist heute noch berühmter als damals. Mittlerweile hat man mehr Geld mit der verschollenen Mine gemacht, als man je aus ihr hätte herausholen können.

Wir saßen immer noch mit dem Uni-Bus im Stau nach Bochum. Es war mucksmäuschenstill geworden. Alle hatten zugehört. Alle warteten jetzt auf Alex‘ Reaktion.
„Und wie willst Du das machen?“ Oha, hatte Alex vielleicht schon angebissen?
„Eigentlich dachte ich daran, mir ein paar Pferde zu besorgen, weil es da weiter im Süden noch eine andere Mine geben soll, die ich auch noch suchen will, falls es mit der Dutchman nicht klappt. Auf dem Weg dahin müssen wir allerdings erst mal über die Superstition Mountains, dann 200 km durch die Wüste und dann noch über die Santa Catalina Mountains und nach Tucson. Schlappe 400 km. Also, was sagst Du, bist Du dabei?“ Noch ein schiefes Grinsen hinterher geschoben und gewartet. Gemurmel wurde im Bus laut, und wir fuhren langsam weiter.
Lange hat er mich nicht warten lassen. Am nächsten Tag wollte er die Karten noch einmal sehen.

(weiter geht es mit Kapitel 2: Die Vorbereitung)

In der Ferne 1, Weltweit